Mit Hilfe von 3D-Druckern lassen sich heute alle möglichen Gegenstände herstellen. Der 3D-Biodruck funktioniert praktisch genauso, nur dass hier keine Kunststoffe, sondern – wie der Name schon sagt – biologisches Material verwendet wird. Konkret nutzen Forschende menschliche Zellen, um daraus menschliches Gewebe dreidimensional zu drucken. Das können Haut, Knorpel, Knochen, Organe bzw. Teile von Organen bis hin zu bösartigen Tumoren sein.  

Wofür wird gedrucktes Gewebe gebraucht?  

Der 3D-Biodruck hat zwei große Anwendungsgebiete: Erstens die biomedizinische Forschung und zweitens die Therapie von Krankheiten in Form von Organ- und Gewebeersatz. Ein Ziel ist zum Beispiel, einmal voll funktionsfähige Organe wie Herzen, Leber oder Nieren für die Transplantation herzustellen. Zwar wurden schon schlagende Herzen gedruckt, aber bis zu transplantationsfähigen Organen ist es noch ein weiter Weg.  

Auf dieser Seite soll es ausschließlich um den Forschungsaspekt gehen – denn 3D-Biodruck etabliert sich seit rund 20 Jahren als Alternative zum Tierversuch. In der Forschung wird die Methode insbesondere dafür genutzt, um  

  • neue Substanzen, Medikamente und Impfstoffe zu testen  

  • Reaktionen auf bestimmte äußere Einflüsse wie Viren, Metallabrieb, Gifte usw. zu untersuchen 

  • grundlegende biologische Prozesse oder Krankheiten besser zu verstehen.  

Wie funktioniert der 3D-Biodruck?  

Herzstück des 3D-Biodrucks ist die Biotinte. Sie besteht aus menschlichen Zellen und einem Hydrogel, das wiederum verschiedene Stoffe enthält, um den Zellen ein Gerüst zu bieten. Das Gel soll die Zellen außerdem maximal schützen, denn während des Druckvorgangs sind sie einer hohen Belastung ausgesetzt. Biotinte muss zunächst flüssig sein, damit sie leicht aus der Kartusche in die feine Druckernadel fließen kann, danach aber sofort fest werden. Die Herstellung der Biotinte ist ein kleines Kunststück, an deren Optimierung viele Forschungsgruppen arbeiten.  

Der eigentliche Druck erfolgt dann Schicht für Schicht – man spricht auch von einer additiven Fertigung. Wie die 3D-Strukur am Ende aussehen soll, designen Forschende vorher am Computer. Nach diesen Vorgaben druckt der Drucker dann ein 3D-Modell in etwa zwei bis drei Minuten, komplexere Modelle dauern etwas länger. Das Ganze lässt sich beliebig oft wiederholen, so dass man in einer Stunde ein gutes Dutzend 3D-Modelle drucken kann. Der Druck der etwa 1,5 x 1,5 cm großen Mini-Modelle erfolgt auf Druckplatten mit kleinen Vertiefungen, die man sich in etwa wie Eierbehälter aus dem Kühlschrank vorstellen kann.

Wie werden die Zellen kultiviert?

Damit die Zellen weiter am Leben bleiben, werden sie anschließend in einem Inkubator bei 37 Grad Celsius aufbewahrt und mit einem Nährmedium versorgt. Für die Versorgung mit Nährstoffen, Wachstumsfaktoren und Sauerstoff gibt es zwei Möglichkeiten: Bei der statischen Kultivierung liegt das Modell im Nährmedium. Bei der dynamischen Kultivierung verfügt das 3D-Modell über bereits mitgedruckte kleine Kanäle, durch die die Medien fließen können. Durch diese Kanalstruktur wird der Blutstrom simuliert.  

Zellen werden seit 70 Jahren in Medien kultiviert, die unter anderem fetales Kälberserum enthalten. Das Serum enthält von Natur aus Wachstumsfaktoren, ist jedoch tierischen Ursprungs. Um die 3D-Modelle komplett tierfrei zu machen, entwickeln einige Forschergruppen gerade Alternativen zum Kälberserum. „Clean-Bioprinting“ nennt sich das. Forschungsstandard sind diese tierfreien (Xeno-free) Medien aber noch nicht.  

Welche Zellen werden verwendet?

Der 3D-Biodruck arbeitet mit Zelllinien aus Zellbanken oder Primärzellen aus Biopsien. Es lassen sich auch verschiedene Zelltypen miteinander kombinieren, was ein großer Vorteil ist. Zudem können verschiedene Immunzellen in die Biotinte gegeben werden. Darüber hinaus können auch Zellen, die aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs) abgeleitet sind, im 3D-Biodruck verwendet werden. Diese Zellen reifen im Labor weiter, um dem Organ biologisch noch besser zu entsprechen. Da hier eine Zeitkomponente hinzukommt, spricht man auch vom 4D-Biodruck. Im 4D-Druck werden also die vorgegebenen Strukturen des 3D-Drucks mit einer Selbstorganisation der Zellen kombiniert, wie sie auch bei Organoiden stattfindet. Aktuell lassen sich diese Modelle über einen Zeitraum von ca. einem Monat kultivieren.  

Beispiel aus der Forschung

Was macht das Coronavirus mit der Lunge? Was spielt sich bei einer entzündlichen Darmerkrankung im Darm ab? Wie reagiert ein Krebs auf bestimmte Medikamente? Nahezu jede biomedizinische Fragestellung lässt sich an 3D-Bioprintig-Modellen erforschen.  

Ein Beispiel: Brustkrebs hat in die Leber gestreut. Nun wird nach einem Medikament gesucht, das die Lebermetastasen zerstört, aber das gesunde umliegende Gewebe verschont. 3D-Bioprinting kann hier helfen, das passende Krebsmedikament zu finden. Dafür drucken Forscher zunächst ein Modell aus Leber- und Brustkrebszellen, das die Lebermetastase in ihrer gesunden Umgebung ziemlich naturgetreu nachbildet. Zwei Modelle sind möglich: Entweder wird der Tumor gleich mit in das Lebermodell hineingedruckt. Oder aus den Tumorzellen wird zunächst ein sogenanntes Sphäroid gedruckt. Dieses kleine Kügelchen, das dem Tumor von der Form her ungefähr entspricht, wird später – ebenfalls per Drucker - in das Lebermodell eingesetzt. In die kleinen Kanäle des Modells können Forschende dann Medikamente geben und beobachten, wie der Mini-Tumor und sein umgebendes Gewebe darauf reagieren.  

Wesentliche Vor- und Nachteile bzw. Limitationen

Vorteile:

  • Der große Vorteil des 3D-Biodrucks ist, dass für Menschen an menschlichem Gewebe geforscht werden kann. Das ist Patientinnen und Patienten naturgemäß ähnlicher als etwa eine Labormaus.  

  • Die 3D-Modelle sind beliebig oft reproduzierbar und kostengünstiger als Tierversuche. 

  • Sogar der Blutkreislauf kann im 3D-Biodruck über die Kanalstruktur simuliert werden. Die sogenannte Vaskularisierung ist seine große Stärke im Vergleich zu anderen Alternativen.  

  • Mit 3D-Bioprinting können außerdem individuelle Krankheitsmodelle aus patienteneigenen Zellen hergestellt werden. An solchen personalisierten Modellen können beispielsweise Therapien oder Unverträglichkeiten getestet werden.  

 

Nachteile bzw. Limitationen:

  • Bislang ist das fehlende Immunsystem das größte Manko (was auf alle anderen Alternativen aber auch zutrifft). Zwar können bestimmte Immunzellen in den Zellcocktail hineingegeben werden, das Immunsystem des Menschen ist aber wesentlich komplexer.  

  • Ein weiterer Nachteil ist, dass sich die Modelle nicht in einem ganzheitlichen Organismus befinden. Tiere bieten diesen „In-vivo-Vorteil“. Jedoch sind die Ergebnisse aufgrund der Speziesunterschiede nur bedingt auf den Menschen übertragbar. So haben Labormäuse ein ganz anderes Immunsystem als der Mensch oder es fehlen ihnen gewisse Rezeptoren, die bei menschlichen Krankheiten eine große Rolle spielen.  

Ausblick

Wie alle Alternativ-Methoden entwickelt sich auch der 3D-Biodruck ständig weiter. 

Es wird angestrebt, in den gedruckten Modellen die Vielfalt der Zelltypen eines jeden Organs darzustellen. Da diese oft unterschiedliche Anforderungen, z.B. an das Nährmedium haben, stellt dies eine Herausforderung beim Drucken eines Gewebes dar. Aktuell können die 3D-gedruckten Modelle circa vier verschiedene Zelltypen abbilden.    

Ein großes Ziel ist, das menschliche Immunsystem in den Modellen besser abzubilden. Weltweit arbeiten Forschende daran.  

Eine naheliegende Möglichkeit ist, den 3D-Biodruck mit anderen Technologien zu kombinieren. Auf Multiorganchips lassen sich verschiedene Organsysteme vereinen, was dem Menschen noch ein Stückchen näherkommt als ein partielles 3D-Modell.  

Individuelle Krankheitsmodelle sind eine echte Perspektive, vor allem für Patientinnen und Patienten mit seltenen oder schwer behandelbaren Erkrankungen. Hierfür wird das Gewebe bzw. die Zellen eines einzelnen Patienten genutzt, um eine individuell angepasste Therapie zu entwickeln. Im Rahmen von Forschungsprojekten wird dieser Ansatz teilweise auch schon praktiziert. Derartige Krankheitsmodelle aus patienteneigenen Zellen in die klinische Routine zu bringen, wäre ein echter Meilenstein für die personalisierte Medizin.  

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Anschauungsmaterial

Stand 2023
Basierend auf einem Interview mit Prof. Dr. Jens Kurreck, TU Berlin

Text
Beatrice Hamberger

Bilder
Die  Abbildungen stammen aus einem Video über das Kurreck-Lab.